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Politischer Aschermittwoch der GOL 2002

 

Kritische Auseinandersetzung mit grün-politischem Selbstverständnis

 

Wangen (sw) – Ganz bewusst hat die Wangener GOL heuer eine andere Form des politischen Aschermittwochs gewählt: losgelöst von den Kreisgrünen und ohne eine im politischen Rampenlicht stehende grüne Gallionsfigur. Gast der diesjährigen Veranstaltung war der Isnyer Arzt, Schriftsteller und Friedensaktivist Till Bastian, der zum Thema „Solidarität oder Heuchelei? Bittere Anmerkungen zur gegenwärtigen politischen Situation“ Kritisches und Nachdenkenswertes zu sagen hatte.

 

Gut gefüllt war die Häge-Schmiede am Mittwochabend – Zeichen dafür, dass die Wangener GOL wohl richtig lag in ihrem Ansinnen, einmal andere Aschermittwochs-Wege zu beschreiten. Gleich zu Beginn outete sich Till Bastian, der nach eigenem Bekunden „immer -  auch im Jahr der SPD-Kandidatur - grün gewählt hat“ als Menschen, der dies „bei den anstehenden Wahlen nicht tun wird.“

 

Bastians derzeitig ablehnende Haltung den Grünen gegenüber ist in „Krieg und Frieden“ begründet, in verlorengegangener Diskussionskultur, in Machtstreben und –erhalten. „Die zehn vergangenen Jahre“ sagt Bastian „sind friedenspolitisch betrachtet verlorene Jahre – und die Grünen kann ich von einer Mitverantwortung nicht freisprechen“. Als Fundament seiner Aussage nennt Bastian nicht allein die Billigung des militärischen Auslandseinsatzes der Bundeswehr. Auch das Einlassen auf das „parlamentarische Erpressungsmanöver“ – die Verknüpfung der Entscheidung zum Auslandseinsatz an die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers – findet Bastian „bedenklich“.

 

Vieles wirft Bastian, der Mitbegründer der Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) ist, Politikern aller Couleur vor. Beispielsweise, dass zu Zeiten der Auflösung des Warschauer Paktes und dem Zerfall der UdSSR keine Strukturen geschaffen wurden, die kriegerischen Auseinandersetzungen vorbeugen und das global-humane Mit- und Füreinander stärken. „Das Wort „Friedensdividende“ machte damals die Runde – doch passiert ist nichts.“

 

Auch eine verfehlte Umweltpolitik ist nach Bastians Meinung mitverantwortlich für die Veränderungen im politischen Weltgefüge. „Vorbeugende Umweltpolitik wäre ein Mittel zur Krisenvermeidung gewesen- doch diese Politik hat nicht stattgefunden“. Statt dessen mündet ein amerikanisches „way of life“, dessen Basis im ungezügelten und immer noch steigenden Verbrauch der Ressourcen liegt, laut Bastian in einer vielleicht noch größeren Katastrophe: „Eine wachsende Not und Verelendung, eine offenkundige Ausweglosigkeit ist der ideale Nährboden für Terror und Fanatismus“.

 

Schonungslose Kritik übt Bastian auch in Zusammenhang mit der Regierungskrise und der von den Grünen geforderten und teilweise gewährten „bedingungslosen Solidarität“. „Solidarität“ sagte Bastian dazu „ist immer an Bedingungen geknüpft“ und erinnerte an die Folgen „solidarischen Handelns“ zu Zeiten der Habsburger und des Dritten Reiches.

 

Abschließend fasste Bastian zusammen, dass sich die weltweite Situation in den letzten zehn Jahren verschoben hat und weiter verschieben wird. Präventives, globales verantwortungsbewußtes politisches Handeln ist für Bastian weitgehend nicht erkennbar. Sorge bereitet ihm auch die einseitige militärische weltweite Dominanz einer Nation. Den Grünen wirft er „friedenspolitisches Versagen“ vor, das für ihn persönlich „schwerwiegend“ ist.

 

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden Bastians Basisaussagen kontrovers diskutiert. Fragen nach Bastians künftigem Wahlverhalten („Wen ich wähle, weiß ich noch nicht“), dem seiner Meinung nach gewünschten politischen Weg der Grünen nach dem 11. September („Es wäre klug gewesen, sich als Militäreinsatzgegner zu outen“), einer Abwägung, ob mit grüner Regierungsbeteiligung die Zukunft nicht doch besser in den Griff zu kriegen ist („Meine Meinung ist parlamentarisch schlecht repräsentiert“), und wie Politik anders gestaltet werden könnte („Der Faszination Macht sollte mit institutionellen Mitteln Einhalt geboten werden und über Grundsätzliches nachgedacht und diskutiert werden“) würzten die politische Aschermittwochssuppe der GOL.

 

Am Ende blieb für Gerold Fix festzustellen, dass die Vielfalt der Meinungen Gutes hervorgebracht hat und ein stetes In-Frage-stellen der eigenen Positionen durchaus richtig ist. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Martha Müller (Gesang) und Angelus Dillmann (E-Piano).

 

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