Sehr
geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
letztes
Jahr zum politischen Aschermittwoch stand ich zum ersten Mal auf dieser Bühne
in Wangen, seitdem hat sich einiges verändert. Damals noch als Kandidatin, nun
bin ich Bundestagsabgeordnete.
Gerne
hätte ich auch heute hier gestanden und euch ausführlich von meinen Eindrücken
und Erfahrungen aus Berlin berichtet und persönlich die vernichtende Bilanz der
schwarz-gelben Koalition gezogen.
Leider,
leider kann ich heute nun doch nicht hier sein, was ich sehr bedauerlich finde.
In meiner Familie gab es gerade einen sehr schwierigen Krankheitsfall. Ich
werde jetzt zu Hause gebraucht, und wenn ich auch rund um die Uhr Politik mache
und lebe und mich auf kaum einen Termin so sehr gefreut habe wie auf den
politischen Aschermittwoch in Wangen, war für mich klar: In solchen Momenten
hat die Familie Vorfahrt.
Trotzdem
möchte ich einige Worte an euch richten, auch wenn ich leider nicht live mit
dabei sein kann. Tröstend ist, dass dies sicher bei weitem nicht der letzte
Aschermittwoch in Wangen sein wird.
Letztes
Jahr stand ich hier als Kandidatin für den Bundestag, die darauf folgenden
Monate habe ich viel Zeit damit verbracht, das Schussental
und das Allgäu und seine Menschen kennen und schätzen zu lernen. Ich kann ohne
Übertreibung sagen, hier habe ich ein neues, weiteres Zuhause gefunden. Bei
sehr vielen Terminen, Gesprächen und einem sehr intensiven Wahlkampf habe ich
unheimlich viel erfahren, was ich jetzt nach Berlin mitnehme.
Seit
ich, dann doch etwas überraschend und plötzlich, Abgeordnete und die jüngste
Frau im Bundestag geworden bin, ist unheimlich viel passiert. Und auch wenn
10-12 Stunden-Tage und meist keine freien Wochenenden doch bisweilen etwas
anstrengend sein können und ganz sicher ein Kontrastprogramm zum Leben einer,
wenn auch fleißigen Studentin, sind, bin ich mit der neuen Aufgabe sehr
glücklich.
Während
die Arbeit in Berlin direkt los ging mit Riesenmassen an Mails und Anfragen,
einem brechend vollen Terminkalender, einem Presserummel, weil ich die jüngste
Frau bin, versuche ich ein organisatorisches Chaos zu bewältigen. Zuerst saßen
wir in einem winzigen vorläufigen Büro, ich musste eine Wohnung in Berlin
finden und in Tübingen ausziehen, man muss Mitarbeiter auswählen, eine Wohnung
und ein Büro im Wahlkreis finden, einen neuen Internetauftritt gestalten und,
und, und...
Vieles
davon ist auf den Weg gebracht, anderes geht vielleicht nicht ganz so schnell
wie ich mir das wünsche.
Ganz
wie ich es wollte, kann ich in der grünen Bundestagsfraktion im Bereich der
Friedens- und Sicherheitspolitik arbeiten. Ich bin abrüstungspolitische
Sprecherin und Mitglied im Unterausschuss Abrüstung. Ich bin Mitglied im
Verteidigungsausschuss und damit auch Mitglied im Untersuchungsausschuss zur Kunduz-Affäre. Große Verantwortung, die ich gerne annehme.
Genauso
wichtig sind mir aber auch die Themen hier vor Ort: Von Milchpreis und
Gentechnik bis zu Bildungspolitik, Klimaschutz und Wirtschaftsförderung. 22
Sitzungswochen verbringe und arbeite ich pro Jahr in Berlin. Den Rest bin ich
im Wahlkreis und in Baden-Württemberg unterwegs. Und auch wenn ich immer noch
auf Wohnungssuche im Wahlkreis bin, war ich die letzten Wochen eifrig und
vielfältig in der Region unterwegs: von der Afghanistan-Veranstaltung zur
Mitgliederversammlung des Bundes deutscher Milchviehalter zur IHK etc.
Und
eine freudige Nachricht: das Wahlkreisbüro wird gerade umgebaut und in den
nächsten Wochen eingeweiht. Und dann geht es noch mehr richtig los!
Als
ich letztes Jahr hier stand, gab es die große Koalition des Stillstandes und
mehr als genug zu kritisieren. Schwarz-Rot: Sie konnten es nicht.
Aber
es kam schlimmer. Schwarz-Gelb: Sie können es nicht nur nicht, sie wollen es
anscheinend auch gar nicht. Westerwelle kann noch so sehr eine
„geistig-politische Wende“ beschwören, schwarz-gelb ist eine Regierung ohne
Plan, ohne Konzept, ohne Richtung, ohne Werte. Das zeigt schon der Auftakt: Der
Koalitionsvertrag ist ein Sammelsurium von 84 Prüfaufträgen.
Doch
es kommt noch dicker. Was eine Liebesheirat sein sollte, hat sich schnell zu
einem Dauerehekrach entwickelt, bei dem auch noch die letzte Idee zu Bruch
geht.
Schwarz-Gelb
ist ein Chor der Misstöne, in dem sich die Mitglieder des Kabinetts teilweise
wie im Kindergarten aufführen, und die Kindergärtnerin Merkel macht es wie
immer schon: Sie lässt mal machen und toben. Und der größte Schreihals und
Wichtigtuer ist Westerwelle, der gegen alles und jeden kämpft.
Schwarz-Gelb
will den sozialen Zusammenhalt in diesem Land angreifen. Sie
haben
schon damit begonnen, doch so richtig loslegen werden sie, wenn die NRW-Wahl
vorbei ist.
Der
erste Angriff war die Ernennung von Franz-Josef Jung zum Arbeitsminister –
dieses wichtige Thema jemandem anzuvertrauen, der der Unfähigste von allen ist.
Dieser gewichtige Angriff hat sich selbst abgewehrt, in dem Jung für seine
Fehler als Verteidigungsminister der letzten Legislatur den Hut nehmen musste.
Dann
kam das WachstumsENTschleunigungsgesetz, mit dem
wohlhabende Familie pro Kind im Monat 40 Euro zusätzlich bekommen, Familien mit
mittlerem Einkommen 20 Euro – und die ärmsten Kinder, die in Hartz-IV-Familien leben, erhalten: GAR NICHTS.
Von
diesem Gesetz haben einige aber auch massiv auf Kosten aller profitiert –
nämlich die Hoteliers, über die ermäßigte Mehrwertsteuer auf
Übernachtungsleistungen. Für die FDP geht es eben nicht um das Allgemeinwohl,
sondern um glasklare Klientelpolitik und die Konsolidierung ihrer eigenen
Parteifinanzen statt des Staatshaushaltes. Die Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes
für die Hotellerie belastet den Bundeshaushalt mit einer Milliarde Euro
zusätzlich, ohne auch nur einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen. Die
Millionen-Spende des Hotelketteninhabers Baron Finck an die FDP legt einen
zusätzlichen Schatten über das Gesetz und erweckt den schalen Eindruck, dass
Politik käuflich sei.
Und
auch die schrillen innenpolitischen Töne des außenpolitisch Möchtergern-seriösen
Westerwelle nach der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
zur Hartz-IV-Gesetzgebung sind eiskalte
Klientelpolitik und ein Angriff auf die Ärmsten der Armen.
Letztes
Jahr habe ich hier Herrn Mißfelder von der CDU und
Oswald Metzer, mittlerweile auch von der CDU, nach ihrer pauschalen
Diffamierung von Hartz-IV-Empfängern die Gründung einer
neuen Partei nahegelegt, Namensvorschlag war „Die Asozialen“. Westerwelle wäre
hier in guter Gesellschaft und die CDU in Ravensburg müsste nicht mehr bei drei
Kandidaten entscheiden, wer denn nun ihr Kandidat für den Ravensburger OB ist.
Die
schwarz-gelben Angriffe auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft werden
weitergehen. Spätestens wenn auch die FDP irgendwann erkennt, was jeder schon
weiß: dass Haushaltskonsolidierung und Steuersenkungen sich ausschließen. Wo
dann gekürzt werden soll, lassen die Äußerung von Westerwelle vermuten.
Und
es sieht weiter düster aus. Der Gesundheitsminister Rösler kann es gar nicht
erwarten, mit der Kopfpauschale aus den Startlöchern zu kommen und die
Zwei-Klassen-Medizin noch weiter voranzutreiben und das Prinzip der Solidarität
in der Krankenversicherung endgültig aufzukündigen.
Noch
zwei Themen möchte ich kurz anschneiden, bei denen der Dilettantismus von
Schwarz-gelb offensichtlich wird.
Schwarz-Gelb
hat den energiepolitischen Rückwärtsgang eingelegt. Bloße Zuschauerrolle beim
Scheitern der Klimaverhandlungen in Kopenhagen, bei denen ein ehrgeiziges
internationales Abkommen so dringend notwendig gewesen wäre. Kürzung der
Solarförderung und Aufkündigung des Atomkonsenses, auch hier ein Angriff auf
einen gesellschaftlich vereinbarten Frieden. Da kann auch der Grünsprech des Umweltministers Röttgen nicht helfen. Er
erkennt zwar die richtigen Argumente gegen Atomkraft und für die Erneuerbaren
Energien, trotzdem will er die Atomkraftwerke 8 Jahre länger laufen lassen als
im mühsam ausgehandelten Atomkonsens vereinbart ist. Und dafür wird er auch
noch von Partei- und Koalitionskollegen kritisiert!
Der
Renaissance der Atomkraft werden wir die Renaissance des Widerstandes
entgegensetzen.
Ein
Thema, das mich persönlich sehr bewegt und politisch sehr beschäftigt, ist die
Afghanistanpolitik der Bundesregierung.
Im
Wahlkampf haben Merkel und Jung abgestritten, dass es bei dem Bombardement in Kunduz zivile Opfer gegeben habe, obwohl sie es schon
längst wussten. Oder hätten wissen müssen, wenn sie die Berichte, die im
Verteidigungsministerium eingegangen sind, gelesen hätten.
Merkel
versprach „lückenlose Aufklärung“ und verbat sich jede Kritik.
Monate
später versteckt sich die Regierung hinter dem Untersuchungsausschuss statt
selber aufzuklären.
Und
auch beim Strahlemann Guttenberg ist der Lack als schneidiger
Verteidigungsminister ab. Zwar hat er seine Einschätzung, der Angriff sei
militärisch angemessen gewesen, mittlerweile revidiert, da ihm angeblich
wichtige Informationen vorenthalten worden seien. Ich bin wirklich höchst
gespannt, wie er vor dem Ausschuss aufzeigen will, welche neuen Informationen
er dann erhalten haben will, die zu seinem Sinneswandel geführt haben.
Aber
es geht nicht nur darum, die Vertuschung und Schlamperei der Regierung im
Untersuchungsausschuss aufzudecken und anzuprangern, sondern auch aufzuklären,
was wirklich in Kunduz geschah, damit so etwas nie
wieder passiert. In den Medien tauchen immer wieder Fragen auf, welche Rolle
die KSK gespielt hat und ob gezielte Tötungen unter dem Deckmantel von ISAF zur
deutschen Strategie gehören.
Es
gibt viel zu tun, die neue Regierung hält einen ständig auf Trab. Wir Grüne
werden sie stellen und treiben und uns auch weiterhin für Klimaschutz, Bildung,
soziale Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. Und unsere grünen Konzepte und
Zukunftsantworten dieser rückwärtsgewandten Koalition entgegenstellen.
Daran
werde ich die nächsten Jahre intensiv und leidenschaftlich arbeiten und im
Wahlkreis dazu auch immer wieder das Gespräch mit den Menschen hier vor Ort
suchen.
Ich
schicke liebe Grüße, wünsche Ihnen und euch einen schönen Abend und freue mich
auf die nächsten politischen Aschermittwoche in Wangen,
Agnieszka
Malczak